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05.04.2017 Thorsten Küfner

Chinas Mega-Projekt: "Das größte Wirtschaftsprogramm in der Geschichte der Menschheit"

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Schon seit längerer Zeit hat Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank, darauf hingewiesen, dass Chinas riesengroßes Infrastrukturprogramm "One Belt, One Road" einen großen Einfluss auf die Weltwirtschaft haben dürfte. Was Anleger hierzu wissen müssen, erklärt er im Gespräch mit dem AKTIONÄR.

Herr Hellmeyer, Sie haben bereits seit Jahren immer wieder auf die Bedeutung der Neuen Seidenstraße hingewiesen. Was dürften Ihrer Meinung nach die größten Veränderungen sein, die dieses Mega-Projekt für China und den Rest der Welt mit sich bringt?

Wir reden bei der „Neuen Seidenstraße“ nur über einen Teil des Projekts „One Belt, One Road“. Dieses Projekt umfasst Infrastrukturmaßnahmen im Bereich von Wladiwostok bis Moskau von China bis Indien in den arabischen Raum und auch mittlerweile in Afrika. Wir reden von quantitativem Wachstum in realen Strukturen. Es handelt sich um Hochgeschwindigkeitsstraßen, Hochgeschwindigkeitsbahnstrecken, Seehafenbau, Flughafenbau und Vernetzung. Es ist das größte Wirtschaftsprojekt in der Geschichte der Menschheit, das maßgeblich von China angestoßen und zu Teilen vorfinanziert wurde und wird. Daraus ergeben sich mehrere ökonomische Funktionen: Die erste Wachstumsfunktion liegt darin, dass es einen Infrastrukturaufbau gibt, der einen hohen Rohstoffverzehr bedingt. Das ist auch der Hintergrund für Anstieg der Rohstoffpreise, den wir seit Mitte 2016 sehen, und es ist eine dauerhafte Entwicklung erhöhter Nachfrage, die uns in den nächsten Jahren mit mindestens stabilen Rohstoffpreisen versorgen wird. Wesentlicher ist aber der Blick nach vorne: Denn durch diese Infrastrukturanschließung in dieser gesamten Region werden innerhalb der kommenden zehn Jahre circa 1,5 Milliarden Menschen vom Rand der Weltwirtschaft mangels Infrastrukturanbindung an den Mittelpunkt angebunden. Daraus ergeben sich so genannte Zweit- und Drittrundeneffekte im Wachstum über die Erschließung des Humankapitals. Das heißt, dieses Projekt ist eine der größten nachhaltigen Wachstumsgeschichten, die von China mithilfe Moskaus und Neu Delhis angestoßen worden ist. Wir reden hier über die Wachstumstreiber und Stabilisatoren der Weltkonjunktur in den kommenden zehn Jahren.

Welcher Bereich der Neuen Seidenstraße ist für Sie der spannendste?

Man kann es nicht auf einzelne regionale Entwicklungen herunterbrechen. Es ist der große Blick, dass der asiatische Kontinent insbesondere Indien damit eine starke Anbindung erhält und das Bevölkerungswachstum, das dort stattfindet und dieser unerschlossene Bevölkerungsteil eben weitaus besser in die Weltwirtschaft integriert werden. Der entscheidende Punkt ist, dass diese Landverbindung von Lissabon nach Wladiwostok und in den arabischen Raum optimiert wird. Das hat sowohl ökonomisch als auch geopolitisch ganz wesentliche Funktionen.
Bisher brauchen wir die Meere. Über die Landbrücken, die hier aufgebaut werden wird die geopolitische Bedeutung der Meere, die bisher in den letzten 200 Jahren von fulminanter Bedeutung war, deutlich minimiert. Sie wird nicht gegen Null tendieren, aber sie wird dadurch deutlich minimiert.

Wie viele Jahre dürfte dieses Projekt einen spürbaren Einfluss auf die chinesische Konjunktur beziehungsweise die Weltkonjunktur haben?

Bereits in den letzten zwei Jahren wurden latent neue Projekte angeschlossen. Ein definitives Ende lässt sich aktuell nicht erkennen. Für mich begann dieser Zeitraum der in der Weltwirtschaft spürbaren Umsetzung Mitte letzten Jahres – wie wir es in unserem Haus prognostiziert hatten. Ich sehe für den Aufbau dieser Infrastrukturmaßnahmen einen Zeitraum von insgesamt einer Dekade als Minimum.
Ich möchte dieses Thema noch arrondieren: Die geplanten Infrastrukturmaßnahmen Donald Trumps sind im Grunde genommen eine Art des Modells „One Belt, One Road“ für die USA. Wenn man den Juncker-Plan für die EU mit einem Volumen von 350 Milliarden Euro nimmt, dann ist es nichts anderes als dieses Modell zu adaptieren, indem man Infrastruktur aufbaut, um damit nachhaltig bessere ökonomische Grundlagen und Wachstumschancen zu schaffen. Sie können also dieses Projekt „One Belt, One Road“ arrondieren mit Trumps Infrastruktur-Plan – hier war von einer Billion Dollar über die nächsten zehn Jahre die Rede – und dem Juncker-Plan. Das heißt dieses Thema Infrastruktur löst ein Stück weit das Modell der Finanzinterventionen der letzten acht Jahre im Rahmen der Krisenmanagements ab.

Sie hatten bereits letztes Jahr prognostiziert, dass die Rohstoffpreise von dem Bau der Neuen Seidenstraße profitieren sollten. Sehen Sie nach den deutlichen Kursgewinnen bei Kupfer & Co jetzt noch weiteres Potenzial?

Ich sehe grundsätzlich weiteres Potenzial. Aber wir haben in den letzten neun Monaten bereits einen kräftigen Schluck aus der Flasche der Preisanpassungen genommen. Lassen Sie mich das am Beispiel Energieträgern deutlich machen: Diese Preise von rund 30 Dollar je Barrel aus dem ersten Quartal 2016 waren nicht nachhaltig. Wir haben jetzt eine Anpassung gesehen, in der der Ölpreis genau in unsere Zielzone von 55-60 USD in der Spitze gelaufen ist. Wir wissen, dass Fracking heute eine entscheidende Rolle spielt. Da die operativen Kosten um 50 Dollar oszillieren, wissen wir jetzt, dass Preise bei 60 bis 65 Dollar gedeckelt sind. Das bedeutet, die künftigen Preisanpassungen werden moderater ausfallen als in den letzten neun Monaten.
Ich gehe von moderaten Preisanstiegen im Energiebereich um circa fünf Prozent für das laufende Jahr aus. Im Bereich von Stahl und Industrierohstoffen mäandert das Ganze zwischen fünf und acht Prozent.

Welche anderen Branchen dürften Ihrer Ansicht nach am stärksten von „One Belt, One Road“ profitieren?

Alle Branchen, die mit Infrastrukturaufbau zu tun haben, werden profitieren. Grundsätzlich wird der gesamte Rohstoffsektor eine stabile bis freundliche Verfassung haben. Der nächste Bereich ist Zement: Wir werden sehr viel davon brauchen. Das liefert die Basis einer positiven Grundtendenz in diesem Sektor. Auch der Maschinen- und Anlagenbau wird davon profitieren, sowohl von Primäreffekten als auch Sekundär- und Tertiäreffekten im weiteren Verlauf.
Ich erwarte, dass sich das weltwirtschaftliche Tempo deutlich erhöhen wird. Der IWF erwartet dieses Jahr 3,4 Prozent Wachstum nach 3,1 Prozent im letzten Jahr. Ich gehe von mindestens 3,6 Prozent aus. Insofern ergeben sich über diese Projekte Skaleneffekte für die gesamte globale Wirtschaftskette. Aber alles das, was mit solchen Projekten direkt im Zusammenhang steht, wird überproportional profitieren.

Welche einzelnen Länder profitieren besonders?

Wir sehen, dass Russland zuletzt profitierte. Die Stabilisierungsphase dort liegt hinter uns, wir gehen in eine Wachstumsphase. Insofern halte ich Russland für nach wie vor für sehr interessant – losgelöst von der Ukraine-Krise und den Sanktionen. Da hat es längst unterschätzte ökonomische Emanzipationsprozesse gegeben.
Ich bleibe für China sehr, sehr zuversichtlich. Wir haben meines Erachtens eine sehr stabile Wachstumslage zwischen 6,5 und 7,0 Prozent für 2017 und 2018 (bitte hier Basiseffekte mit berücksichtigen). Das bedeutet eben auch Skaleneffekte für die Unternehmen, die sehr nachhaltig sind.
Wir sind weiter für Indien sehr zuversichtlich und auch für Pakistan. Im Endeffekt sollte man dieses Thema stark über die asiatische Platte spielen.
Aber auch Russland gehört für mich ganz klar nach wie vor zu den Favoriten. Russland hat bereits im letzten Jahr sehr stark performt. Diese Performance in der Steilheit wird so nicht fortsetzbar sein, aber die grundsätzliche Tendenz bleibt positiv.

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