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01.09.2018 DER AKTIONÄR

Emerging Markets: Vorsicht Ansteckungsgefahr!

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Die Türkei-Krise hat mit dem Absturz der Landeswährung Lira auch andere Schwellenländer-Devisen in die Tiefe gerissen. Mancher befürchtet eine neue Asienkrise wie 1997, die auch den DAX erwischte. Doch diesmal sind die Bedingungen etwas anders.

Vor gut 20 Jahren war die Wirtschaftswelt eigentlich in Ordnung. Aber das kleine, ökonomisch eher unbedeutende Thailand hatte sich im Boom mit Dollar- und Yen-Krediten vollgestopft – zu ehemals recht günstigen Zinsen. Nachdem der damalige Fed-Chef Alan Greenspan die Leitzinsen seit 1994 nahezu verdoppelt hatte, wurde massenhaft internationales Kapital in die USA gelockt – und aus Asien abgezogen. An den Aktien- und Immobilienmärkten hatten sich außerdem Überbewertungsblasen gebildet.

Brutale Spirale

Als Thailand im Juli 1997 die Bindung seiner Währung an den Dollar aufgab, stürzte der Baht ab – der Beginn der Asienkrise. Mit steigenden Zinsen bekamen mehr und mehr Firmen, private Haushalte und auch der Staat Zahlungsprobleme, während zugleich die Währung kräftig an Wert verlor. Eine brutale Spirale begann sich zu drehen.

Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die thailändischen Probleme typisch für die sogenannten Tigerstaaten waren, brachen auch in Indonesien, Malaysia und den Philippinen ähnliche Krisen aus. Selbst Hongkong und Südkorea, zwei eher reiche Länder, wurden angesteckt, später auch Russland und Brasilien. 1998 erreichte die Krise sogar die Wall Street und Europa, Dow Jones und DAX verloren kräftig an Wert.

Türkei bekämpft Lira-Krise viel zu halbherzig

Die aktuelle Krise der Türkei zeigt sehr ähnliche Muster. Auch die Türkei hat sich in den vergangenen Jahren stark von ausländischem Kapital abhängig gemacht. Die Leistungsbilanz ist seit mehr als zehn Jahren negativ, die Devisenreserven sind geschrumpft. Außerdem wird das Land von einem eigensinnigen Präsidenten geführt. Autoritäre oder populistische Lenker sind ebenfalls oft ein Merkmal von Krisenstaaten.

Die Ratingagenturen S&P und Moody’s sehen am Bosporus eine anhaltende Wirtschaftskrise heraufziehen und haben die Einstufung der langfristigen Fremdwährungsverpflichtungen der Türkei um eine weitere Stufe herabgestuft – in die Kategorie „spekulativer Ramsch“. Moody's setzte kürzlich noch einen drauf und senkte das Rating von 20 türkischen Banken.

Die Agenturen bewerten die bisherigen Schritte zur Bekämpfung der Lira-Krise als unbefriedigend. Eigentlich müsste die Türkei ihre Leitzinsen kräftig anheben oder den Internationalen Währungsfonds um Finanzhilfe bitten. Letzteres will Erdoğan aber nicht, weil er dann die Kontrolle über sein Land abgeben müsste.  

Türkei-Virus bedroht weitere Länder

In den vergangenen Wochen hatte es deutliche Zeichen gegeben, dass sich andere Länder mit dem „türkischen Virus“ angesteckt haben: Die Währungen von Indonesien, Südafrika, Indien, Brasilien und Russland stürzten ab, der US-Dollar wertete im Gegenzug kräftig auf. Besonders stark leidet derzeit Argentinien. Auf den Russischen Rubel drücken zusätzlich die verhängten Sanktionen.

Seit März hat der Dollar im Zuge der Lira-Talfahrt zwischen acht (Indien) und 45 Prozent (Argentinien) zugelegt – obwohl die meisten dieser Schwellenländer mit der Türkei wirtschaftlich kaum etwas zu tun haben. Doch sie haben ihre wirtschaftliche Entwicklung zu einem erheblichen Teil mit ausländischem Kapital finanziert und sind deshalb akut gefährdet.

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) beziffert die Summe der Dollar-Schulden aller Schwellenländer auf gigantische 3.700 Milliarden Dollar. Hinzu kommen noch einmal 860 Milliarden Dollar an Verbindlichkeiten in Euro und Yen. Wenn nun die Zinsen in den USA steigen und der Dollar weiter aufwertet, droht womöglich ein Schwellenländer-Kollaps.  

Thailand hat die Wende geschafft

Doch nicht alle Emerging Markets stehen aktuell schlecht da. Thailand etwa hat aus der letzten Krise gelernt und erwirtschaftet mittlerweile einen Leistungsbilanzüberschuss von über zehn Prozent der Wirtschaftsleistung. Zudem hat es ausreichend hohe Devisenreserven aufgebaut. Der thailändische Baht zeigte keinerlei Schwäche. Südkorea und Taiwan sind ebenfalls fein raus.

Und China? Das Riesenreich besitzt mit über drei Billionen Dollar die größten Devisenreserven und wird nicht kollabieren. Dass der chinesische Yuan in den Abwärtsstrudel geraten ist, liegt vor allem am Handelsstreit mit den USA. Schwächesignale der Wirtschaft und die hohe Verschuldung vieler Firmen sorgen für zusätzlichen Abwärtsdruck.

Das Institute of International Finance wertet die Türkei-Krise als Beginn eines schmerzhaften Prozesses für hoch verschuldete Länder wie Süd­afrika und Indonesien. Die Defizite sind aber geringer als zur Asienkrise 1997/98. Zudem ergreifen die betroffenen Staaten Gegenmaßnahmen und heben ihre Leitzinsen kräftig an. Im Falle Argentinien reicht wohl aber selbst die jüngste Erhöhung auf 45 Prozent nicht. Die Staatspleite rückt näher. Und die Türkei sträubt sich und vertraut auf "Selbstheilungskräfte".

Chancen und Risiken

Die Probleme der Emerging Markets griffen vor 20 Jahren auf die Industriestaaten über. Diesmal sind die meisten Länder finanziell besser aufgestellt, eine Ausbreitung auf Dow Jones und DAX ist weniger wahrscheinlich. Und schaut man sich die Schwellenländer-Aktien an, ist ebenfalls von einer "Epidemie" wenig zu sehen.

Zwar hat auch der breite MSCI Emerging Markets Index, in dem rund 850 Werte aus 24 Ländern (auch aus der Türkei) zusammengefasst sind, seit Januar an Terrain eingebüßt und wird auch in den nächsten Monaten noch stark schwanken. Doch ein Investment in einen entsprechenden Fonds oder ETF dürfte sich langfristig auszahlen. Ein Blick auf die Top-10-Werte im Index zeigt viel Qualität: Zu den größten Positionen gehören etwa Tencent, Alibaba und Baidu aus China, Samsung aus Südkorea oder Taiwan Semiconductor.

Die Ansteckungsgefahr durch die schwachen Währungen ist zwar überschaubar. Trumps Handelsstreit mit China macht das Ganze dann aber doch gefährlich, drückt er doch erheblich auf das Wachstum der Firmen. Die Konjunktur könnte sich empfindlich abkühlen. Und eine globale Rezession wird auch an Deutschland nicht spurlos vorübergehen.

Dieser Artikel ist in einer veränderten Version bereits in Ausgabe 35/18 von DER AKTIONÄR erschienen, die Sie hier noch herunterladen können.

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