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28.06.2020 Martin Mrowka

Wirecard-Skandal: Bund schmeißt Rechnungsprüfer DPR raus – auch Vorwürfe gegen BaFin

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Wirecard

Auch am Wochenende gibt es keine Ruhe im haarsträubenden Milliarden-Bilanzskandal um den Noch-DAX-Konzern Wirecard. Das Bundesjustiz- und das Bundesfinanzministerium ziehen erste Konsequenzen und werden den Vertrag mit der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) kündigen. Darauf haben sich beide Ministerien verständigt, bestätigte ein Sprecher des Justizressorts erste Berichte der Bild am Sonntag. Auch die BaFin steht im Kreuzfeuer. DER AKTIONÄR gibt eine Zusammenfassung zum aktuellen Stand.

Der privatrechtlich organisierte Verein DPR kontrolliert im Staatsauftrag die Bilanzen. Er habe im Fall von Wirecard nach Ansicht der Ministerien versagt, schreibt die Bild am Sonntag (kostenpflichtig). Bei der DPR war am Sonntag keine Stellungnahme zu erhalten.

Die Bundesanstalt für Finanzaufsicht (BaFin) hatte nach eigener Darstellung der DPR im Februar 2019 den Hinweis gegeben, dass es Ungereimtheiten in der Halbjahresbilanz 2018 von Wirecard gebe. "Wir haben unmittelbar reagiert und Mitte Februar 2019 bei der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) eine Bilanzprüfung veranlasst", sagte eine Sprecherin auf Anfrage. Die BaFin sei für die Bilanzprüfung nicht zuständig, lediglich für die Wirecard Bank. Zuständig sei auf erster Stufe allein die DPR. Dort habe die Prüfung so lange gedauert.

Nur ein Mitarbeiter prüfte Wirecard-Bilanzen

Nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) hat die auch als "Bilanzpolizei" bezeichnete Prüfstelle jedoch nur wenig Personal. Mit der aufwendigen und komplexen Prüfung sei in den vergangenen 16 Monaten im Wesentlichen nur ein einzelner Mitarbeiter betraut gewesen.

Die Aufgabenteilung zwischen BaFin und DPR steht laut FAS auch im Zentrum der harten Kritik von Seiten der EU-Kommission an Deutschland im Fall Wirecard. Die EU lässt mittlerweile das Agieren der deutschen Finanzaufseher in dem Bilanzskandal von der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA überprüfen.

KPMG findet keine Nachweise für Milliarden

Wirecard hatte Insolvenz beantragt, nachdem das Unternehmen eingestehen musste, dass in der Bilanz aufgeführte Barmittel von 1,9 Milliarden Euro, die angeblich auf asiatischen Bankkonten lagen, nicht auffindbar seien. Experten vermuten, dass die "Fehl-Summe" in der Bilanz noch deutlich höher liegen könnte. Die von Wirecard selbst mit einer Sonderuntersuchung beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG stellte im April fest, dass die Existenz gut einer Milliarde Euro nicht nachgewiesen werden können.

Und schließlich kam dann EY bei der Bilanzprüfung 2019 zur Einschätzung, dass es sich um kriminelle Manipulationen handelt, und gab den Hinweis an die Behörden.Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, die den Jahresabschluss 2019 prüfte, geht von Betrug in internationalem Maßstab aus. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Ex-Vorstandschef Markus Braun und weitere ehemalige und aktive Spitzenmanager.

BaFin-Präsident spricht von "Schande"

BaFin-Präsident Felix Hufeld hatte die Ereignisse in der vergangenen Woche als eine "Schande" bezeichnet. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) kündigte eine schärfere Regulierung an: "Wir müssen unsere Aufsichtsstrukturen auch überdenken." Hufeld soll am kommenden Mittwoch im Finanzausschuss des Bundestages Rede und Antwort stehen.

Die Wirecard-Aktie stürzte am Freitag weiter ab und kostete zeitweise nur noch 1,09 Euro. Dann sorgten einige Käufe bis zum Xetra-Schluss für eine kleine "Erholung" auf 1,28 Euro. Auf Tradegate kostete das Papier im späten Handel etwa 1,40 Euro.

Wirecard (WKN: 747206)

Unter Druck geraten ist auch die deutsche Finanzaufsicht BaFin selbst, weil die mutmaßlichen Bilanzmanipulationen lange unentdeckt blieben. Bei der Bilanzkontrolle börsennotierter Unternehmen gibt es allerdings ein zweistufiges Verfahren, wie die BaFin auf ihrer Webseite schreibt. In der ersten Stufe untersucht demnach die DPR die Verdachtsfälle, erst in der zweiten Stufe wird die BaFin aktiv. Im Tätigkeitsbericht der DPR heißt es nur, 2019 seien 86 Prüfungen abgeschlossen worden, darunter eine Prüfung auf Verlangen der BaFin. Diese habe "in einem Fall konkrete Anhaltspunkte für einen Fehler in einem Halbjahresfinanzbericht identifiziert und die DPR aufgefordert, eine Prüfung einzuleiten".

Eine Kanzlei ist unterdessen davon überzeugt, dass wegen des Wirecard-Skandals werthaltige Ansprüche gegen die BaFin, aber auch gegen die Wirtschaftsprüfer von EY bestehen. Die Finanzaufsicht muss sich auf eine Klagewelle einstellen, schreibt die FAS.

Am Freitag hatte bereits die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) e.V. aufgrund der Vorgänge rund um die Wirecard AG Strafanzeige gegen zwei amtierende und einen ehemaligen Abschlussprüfer der Ernst & Young GmbH gestellt. Ferner hat die SdK große Zweifel an der Geeignetheit von EY als Abschlussprüfer und wird daher zunächst für die von der SdK vertretenen Investoren auf zukünftigen Hauptversammlungen gegen eine Bestellung von Ernst & Young zum Abschlussprüfer und/oder Konzernabschlussprüfer stimmen.

Wirecard arbeitet auch nach Insolvenzantrag weiter

Der nach dem Bilanzskandal ums Überleben kämpfende Zahlungsabwickler will den Betrieb derweil nach dem Insolvenzantrag fortsetzen. "Der Vorstand ist der Meinung, dass eine Fortführung im besten Interesse der Gläubiger ist", teilte der DAX-Konzern am Samstag mit. "Der Geschäftsbetrieb der Konzerngesellschaften inklusive der lizensierten Einheiten wird aktuell fortgesetzt." Die Botschaft richtete sich an "Kunden und Partner".

Der Vorstand der deutschen Muttergesellschaft Wirecard AG hatte beim Münchner Amtsgericht Insolvenz beantragt. Die Insolvenz kann auch noch Tochtergesellschaften treffen, ausgenommen bleiben soll die Wirecard Bank. Diese wird laut Wirecard mit Einverständnis der Finanzaufsicht BaFin finanziell und organisatorisch von der Muttergesellschaft abgekoppelt.

Insolvenzgutachten von bekanntem Sachversändigen

Das Gericht hat den Rechtsanwalt Michael Jaffé als Sachverständigen bestellt, einen der bekanntesten Insolvenzverwalter Deutschlands. Dieser muss nun im ersten Schritt das Insolvenzgutachten erstellen. Eine ganz zentrale Frage bei Insolvenzgutachten ist, ob das jeweilige Unternehmen seinen Geschäftsbetrieb fortsetzen kann.

Jaffés Kanzlei hat einschlägige Erfahrung sowohl mit Großinsolvenzen wie der Pleite der Mediengruppe Kirch als auch mit der Aufarbeitung von Luftgeschäften wie bei der Kapitalanlagefirma P&R, die zehntausende Kleinanleger mit der Vermietung nichtexistenter Schiffscontainer geprellt hatte.  (Mit Material von dpa-AFX)

Auch wenn es in der näheren Zukunft immer wieder mal zu prozentual heftigen Wirecard-Kursausschlägen kommen dürfte, sollten Anleger sich von dieser Pleite-Zockerei fernhalten. Wenn professionelle Trader und Shortseller mit Eindeckungskäufen am Werk sind, bleiben Privatanleger meist als große Verlierer außen vor.

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