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04.12.2015 Florian Söllner

Tomorrow Focus: Ab in den Abenteuerurlaub

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Eine Pauschalreise ist die sichere Variante des Urlaubs. Max Mustermann weiß ziemlich genau, wie er die nächsten 14 Tage verbringt, und hat eine hohe Sicherheit, dass das Essen schmeckt und die Pool-Animateurin nett ist. Der typische Deutsche überlässt bei der Planung nichts dem Zufall und checkt schon vorab im Internet die Bewertung anderer Urlauber über das Reiseziel. Deutscher Marktführer in diesem Bereich ist HolidayCheck. Das Tomorrow-Focus-Portal lockt durch den großen Pool an Urlaubserfahrungen permanent neue Kunden an, die wiederum ihre Reise direkt hier buchen können. HolidayCheck vermittelt bis zu 20 Prozent der deutschen Internet-Pauschalreisen. Auch die Entwicklung der Tomorrow Focus AG selbst erinnerte in den letzten Jahren an die Vorhersehbarkeit und Sicherheit eines Pauschalurlaubs. Das Wachstum war stets stark und die Margen gewohnt hoch. Größere Abenteuer vermied das Management – Aktionäre schipperten mit der Aktie gemächlich übers Parkett wie Reisende in einem sicheren, aber langweiligen Kreuzfahrtschiff.

Google erhöht die Preise

Doch nun verlässt die Tomorrow Focus AG die ruhigen Gewässer. Einerseits unfreiwillig: Im lange sonnigen Online- Reisemarkt ziehen Wolken auf. Der Konkurrenzdruck durch US-Unternehmen wie Priceline (Booking), Expedia oder TripAdvisor sorgt für sinkende Margen. Auch offensiv werbende deutsche Anbieter wie die ProSiebenSat.1- Beteiligung Weg.de oder Check24 wirbeln die Branche auf. Der Marketingwettbewerb unter den großen Reiseportalbetreibern bringt etwa höhere Preise des auktionsbasierten Google-AdWords- Angebots mit sich – die Kosten pro neuem User über die Suchmaschine steigen. Dickschiffen wie die Unister Gruppe (ab-in-den-Urlaub) sagten manche Pressevertreter bereits nach, in Seenot zu geraten. Auch Tomorrow Focus hat es erwischt. In den ersten neun Monaten ging der EBITDA-Gewinn um 55 Prozent auf 7,2 Millionen Euro zurück. Immerhin: HolidayCheck verdient noch Geld und gewinnt Marktanteile.

Alles auf eine Karte

Das allzu sichere Terrain verlässt die AG auch durch die Trennung mehrerer Töchter und die Konzentration auf den Bereich Reise – was für weniger Diversifizierung und eine noch höhere Abhängigkeit von HolidayCheck sorgt. Die Fahrt wird unruhiger, aber auch aggressiver und spannender. Neu am Ruder ist ab Februar 2016 der Amazon- Topmanager Georg Hesse. Er dürfte die Investitionen in neue Produkte und das Wachstum vorantreiben. Power in Form von frischem Kapital ist genug vorhanden. Gerade hat die Tomorrow Focus AG an den Großaktionär Burda Digital für 47 Millionen Euro das Arztbewertungportal Jameda verkauft. Dies entspricht einem 2015er EBITDA- Multiple von 22 – eine ordentliche Bewertung. Das Kapital wird in ein besseres Internetangebot investiert – User sollen bequemer und schneller ihre Wunschreise finden und direkt buchen können. Die ersten Neuentwicklungen sorgen schon für positive Impulse. Die Analysten von Hauck & Aufhäuser glauben, dass die Conversion- Rate – also der Anteil der tatsächlichen Transaktionen – mittelfristig damit von 0,8 auf bis zu 1,3 Prozent steigen kann. Bereits im vierten Quartal erwarten die Experten wieder eine Steigerung der Buchungen um zehn bis 15 Prozent.

Fantasie Übernahme

Mit der frisch aufgepeppten „Reisekasse“ hat Tomorrow Focus zudem die Möglichkeit, im Zuge der Konsolidierung geschwächte Mitbewerber oder Marken aufzukaufen. Denkbar, dass die neue Tomorrow Focus selbst ins ViVisier großer US-Adressen gerät. Expedia etwa hat für HomeAway, den Vermittler von Ferienwohnungen, 3,9 Milliarden US-Dollar auf den Tisch gelegt. Um Cash bereinigt, entspricht dies einem Kurs-Umsatz-Verhältnis von knapp 7. Natürlich ist das Geschäftsmodell von HolidayCheck derzeit nicht so hip wie das des AirbnB-Konkurrenten. Doch angesichts eines KUVs von 1,8 ist Potenzial für steigende Kurse bei Tomorrow Focus durchaus gegeben. Zumal die aufgrund des Geschäftsmodells geringeren Marketingkosten ein wertvoller Konkurrenzvorteil sind. Besser vergleichbar mit Holiday- Check ist TripAdvisor. Dem US-Konkurrenten wird ein 2016er-KUV von 6,7 und ein KGV von 34 zugestanden. Das 2017er-KGV von Tomorrow Focus – 2016 ist ein Übergangsjahr – liegt bei 22.

Tomorrow Focus hat mit dem neuen Cash alle Chancen, den Kampf um Marktanteile für sich zu entscheiden – und zu alter Margenstärke zurückzukehren. Wer ein Ticket in Form einer Aktie löst, begibt sich jedoch auf keine vorhersehbare Pauschalreise. Es wird aufgrund noch ungewisser Effekte durch die Wachstumsinvestitionen volatil, ruppig und überraschend bleiben. Doch der Mut zu mehr Risiko zahlt sich am Ende aus – im Urlaub und ebenso an der Börse.

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