Erfolg ist auch eine Frage der Perspektive: Während Kunden den Prime Day 2015 wegen zu weniger Angebote und einer teilweise skurrilen Auswahl (unter anderem: 209 Liter Bodylotion im Fass) kritisierten, sprach Initiator Amazon von hohen Umsätzen und jeder Menge neuer Prime-Mitglieder. Im Schnitt schlugen die Kunden bei dem Online-Event 398-mal zu – pro Sekunde!
Hohes Wachstum
Amazon nannte am Ende ein Plus gegenüber dem Vorjahr von 266 Prozent bei den Auftragseingängen und eines von 18 Prozent verglichen zum Black Friday 2014. 2016 wollte der Konzern noch eins draufsetzen und versprach eine Riesenauswahl und knackige Rabatte. Und Amazon hielt Wort. Die Umsätze schossen um 26 Prozent in die Höhe.
An der Börse bestehen kaum Zweifel, dass Amazon seine Erfolgsspur nicht beibehält. Die Aktie des E-Commerce- Riesen notiert am Mittwoch bei 739,55 Dollar und damit nahe des Allzeithochs. Brexit, Leitzinsen, Bankenkrise? Davon lassen sich Amazon-Aktionäre in diesen Tagen nicht abschrecken. Wohl auch, weil der Newsflow (neben dem Prime Day) einfach zu gut ist. In einer Studie sehen die Medienexperten von Goldmedia das US-Unternehmen etwa im hart umkämpften deutschen Markt für Video-on-Demand mittlerweile auf dem ersten Platz – noch vor Netflix, Maxdome, Sky und all den anderen Angeboten.
DER AKTIONÄR sprach mit Dr. André Wiegand, Medienexperte bei Goldmedia.
DER AKTIONÄR: Herr Wiegand, Video-on- Demand boomt und Amazon ist in Deutschland der Marktführer. Was macht das Unternehmen besser als die Konkurrenten?
André Wiegand: Der Erfolg ist nicht zuletzt auf die Bundling-Strategie mit dem Premium-Service Amazon Prime zurückzuführen. Zudem ist das Prime- S-VoD-Angebot von Amazon im Bundle unschlagbar günstig.
DER AKTIONÄR: Amazon und Netflix teilen sich 50 Prozent des deutschen VoD-Markts. Wer könnte ihnen den Platz streitig machen?
André Wiegand: Amazon und Netflix haben sich insbesondere durch ihre hohen Marketingaktivitäten aktuell einen Vorsprung vor der Konkurrenz erarbeitet. Auch in Zukunft ist davon auszugehen, dass die beiden amerikanischen Schwergewichte den Markt dominieren.
DER AKTIONÄR: In Ihrer Studie zählen Sie 38 VoD-Portale. Sind das nicht zu viele Anbieter?
André Wiegand: Neben den bereits erwähnten, gut positionierten Playern gibt es in der Tat noch viele kleinere Anbieter, die es langfristig jedoch schwer haben werden, genügend Nutzer an sich binden und auch halten zu können. Mit Disney Life und YouTube Red werden in naher Zukunft weitere Dienste in Deutschland an den Start gehen, die sich schon ganz bewusst auf bestimmte Alters- und Zielgruppen konzentrieren.
Fazit: Amazon macht aus Anlegersicht derzeit viel richtig. Die Aktie ist mit KGV 136 (2016e) teuer. Das war sie aber schon immer. Wer noch nicht investiert ist, sollte die Q2- Zahlen abwarten. Für alle anderen gilt: Gewinne laufen lassen und genießen.